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EU-Mehrwertsteuerreform

EU-Mehrwertsteuerreform: Was ändert sich für Sie als Unternehmer?

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am 05. Dezember 2017 auf neue Maßnahmen geeinigt. Im Mittelpunkt steht die Förderung der digitalen Wirtschaft im Hinblick auf die Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften.

Die neuen Vorschriften, die bis zum 01.01.2021 schrittweise in Kraft treten werden, sollen das Wachstum von E-Commerce-Unternehmen, Neugründungen und KMU (kleine und mittlere Unternehmen) beschleunigen.

Der grenzüberschreitende Handel soll vereinfacht und Mehrwertsteuerverluste vermieden werden. Hinzu kommen geringere Befolgungskosten, ein verminderter Verwaltungsaufwand und zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen für die EU-Mitgliedsstaaten in Höhe von sieben Milliarden EUR pro Jahr. Ziel ist es, einen wettbewerbsorientierten Markt innerhalb der EU zu schaffen.

Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen online verkaufen, sind von den Neuregelungen besonders betroffen. Folgende Vereinbarungen wurden getroffen:


One-Stop-Shop

Unternehmen, die Waren online zum Verkauf anbieten, haben die Möglichkeit, sämtliche Mehrwertsteuer-Pflichten in der EU über ein Online-Portal in ihrer Landessprache nachzukommen – One-Stop-Shop. Für Online-Händler elektronischer Dienstleistungen („E-Dienste“) gilt diese Vorschrift bereits. Ohne das Portal müssen Unternehmen (wie bisher) in jedem EU-Mitgliedsstaat, in das sie verkaufen möchten, eine Mehrwertsteuerregistrierung vornehmen. Diese Vorgehensweise ist eines der größten Hindernisse für Kleinunternehmen beim grenzüberschreitenden Handel. Die Bezeichnung One-Stop-Shop beschreibt die Durchführung aller bürokratischen Schritte, an nur einem „Ort“ und findet sowohl in der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung Anwendung.


Online-Marktplätze

Anbieter von Online-Plattformen, wie zum Beispiel Amazon oder eBay, sind künftig für die rechtmäßige Abführung der Mehrwertsteuer verantwortlich, sofern ein Unternehmen eines Drittlandes (nicht EU-Mitglied) Verkäufe an Verbraucher in der EU tätigt. Dazu zählen auch Verkäufe von Waren, die von Unternehmen aus Drittstaaten getätigt werden, welches die Ware bereits innerhalb der EU lagert (sogenannte Erfüllungszentren). Mit der Neuregelung soll einem mehrwertsteuerfreien Verkauf von Waren an Verbraucher in der EU vorgebeugt werden.


Einheitlicher Schwellenwert von 10.000,00 €

Der Schwellenwert von 10.000,00 € (netto) gilt für alle Kleinstunternehmen, die grenzüberschreitende Verkäufe in andere Länder der EU, sowie Verkäufe im Inland vornehmen. Die Mehrwertsteuer ist in diesem Fall an die Steuerverwaltung des Landes zu entrichten, in dem der Verkäufer seinen Sitz hat. Für KMU gilt für grenzüberschreitende Verkäufe ein Wert von bis zu 100.000,00 € (netto) jährlich.

Eine Registrierung des Unternehmens in dem EU-Mitgliedstaat, in das Warenlieferungen oder Dienstleistungsangebote an Verbraucher im EU-Ausland erfolgen und deren Mehrwertsteuerschwellenwert überschritten wird, ist künftig nicht mehr notwendig.

Darüber hinaus sind Verkäufer nicht länger verpflichtet, die Umsatzsteuer im Land des Käufers abzuführen.

Der Schwellenwert gilt für das laufende und vorangegangene Kalenderjahr der Leistungsüberbringung. Wird der Schwellenwert überschritten, ist der Verkäufer weiterhin dazu verpflichtet, die Umsatzsteuer in dem Land abzuführen, in dem der Endverbraucher die Lieferung erhält.

Ziel dieser Vereinbarung ist es, Kleinstunternehmen, Start-Ups und KMU zu unterstützen und den Handel im Binnenmarkt an die Einfachheit des inländischen Handels anzupassen. Ein einheitlicher Schwellenwert innerhalb der EU hört sich zunächst profitabel an. Allerdings wird dieser Schwellenwert bereits von mittelgroßen Unternehmen schnell überschritten. Daraus folgt, dass diese Unternehmen ihre Lieferungen in annähernd jedem EU-Mitgliedsstaat versteuern müssen.

Bei einem hohen Anteil grenzüberschreitender Lieferungen, müssen auch Kleinunternehmer Umsatzsteuer im Ausland abführen. Die Zahlung kann dann über den o.g. One-Stop-Shop erfolgen, allerdings nicht rückwirkend. Bedeutet: Verpassen Sie den Zeitpunkt der Überschreitung des Schwellenwertes, muss eine Registrierung auf bisher bekannte Weise erfolgen. Da es sich de facto um eine Hinterziehung der Umsatzsteuer handelt, muss zudem eine Selbstanzeige stattfinden.


Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung

In Zukunft soll unlauterem Wettbewerb und Marktverzerrungen ein Ende gesetzt werden. Um künftig Steuerhinterziehung vorzubeugen, werden Kleinsendungen mit einem Wert von weniger als 22,00 € aus Drittstaaten nicht länger von der Mehrwertsteuer befreit.

Bislang konnten Betrüger Waren in kleinen Paketen verschicken und auf dem Etikett einen Warenwert angeben, der unter dem Schwellenwert von 22,00 € lag, sodass keine Mehrwertsteuer gezahlt werden musste. Dies führte zu einem Verlust von 1 Milliarde Euro.


Änderungen für B2B-Unternehmen

Änderungen für B2B-Unternehmen treten erst zum 01.01.2022 in Kraft. Grenzüberschreitende Lieferungen in ein anderes EU-Mitgliedsland sind bislang umsatzsteuerfrei, sofern die Grundlagen des §4 Nr.1b, 6a UStG zutreffend sind.

B2B-Unternehmen müssen künftig bei Lieferungen den Umsatzsteuersatz des Bestimmungslandes beachten. Der sogenannte One-Stop-Shop kann auch von B2B-Unternehmen angewendet werden.


Nachteil für FBA-Händler

Amazon-Marketplace-Händler, die im Rahmen des Fulfillment by Amazon (FBA) ein Warenlager im Ausland nutzen, werden nicht von den Vorteilen der EU-Mehrwertsteuerreform profitieren. Die neuen Vorschriften umfassen grenzüberschreitende Logistikstrukturen, wie beispielsweise FBA, nicht.

Bei Verwendung eines ausländischen Warenlagers werden mindestens zwei Arten von Transaktionen getätigt. Diese werden nicht über den One-Stop-Shop geregelt werden können. Das bedeutet, dass sich diese Unternehmen nach wie vor in den EU-Staaten steuerlich registrieren müssen, in denen das Warenlager betrieben wird. Darüber hinaus müssen die Umsätze, die über diese Warenlager generiert werden, an die Finanzämter vor Ort gemeldet werden.


Unser Fazit zur Reform des MwSt.-Systems

Die Ziele, die durch die Mehrwertsteuerreform innerhalb der EU erreicht werden sollen, sind eklatant. Im Mittelpunkt der Zielerreichung steht die Förderung von Handels- und E-Commerce-Unternehmen und die Vereinfachung des grenzüberschreitenden Handels innerhalb der EU. Das Wachstum von Unternehmen, Neugründungen und KMU soll durch die beschlossenen Vorschriften beschleunigt werden und der Verwaltungsaufwand für Unternehmen bei grenzüberschreitendem Handel verringert werden.

Die von den EU-Mitgliedsstaaten beschlossenen Vorschriften hinsichtlich der Mehrwertsteuer bedeuten besonders für Onlinehändler und Betreiber von Online-Plattformen eine Umstrukturierung. Rechtliche Vorkehrungen sollten schon jetzt getroffen werden.

FBA-Händler profitieren nicht von den neuen Vorschriften. Auch der sehr niedrig angesetzte einheitliche Schwellenwert ist nicht sehr effizient für Händler.
Über den Autor
Marie-Sophie Göbel
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